Donnerstag, 22. Juni 2006
Wm-Patriotismus: Ein Phänomen
schwarzerbloq, 23:50h
Es ist schon seltsam, was sich in den letzten Wochen auf den deutschen Straßen abspielt: Noch nie sah ich in meinem Leben so viele Fahnen in schwarz-rot-gold, so viele Menschen, die sich mit ihrem "Vaterland" brüstend durch die Straßen ziehen und "Deutschland, Deutschland über alles..." brüllen. Neo-Patriotismus,Trendwelle oder gar Neo-Nationalismus?
Dass Deutschland aufgrund seiner nicht gerade schönen jüngsten Vergangenheit in Hinsicht auf Patriotismus sprichwörtlich unter dem Damoklesschwert sitzt, dürfte hinlänglich bekannt sein , um so verwunderlicher sind solche Entwicklungen jetzt in der Gegenwart: Wo man vor 4 Wochen noch gegen Patriotismus gewettert hat, als wäre er eine Volkspest , kann man sich nun vor Patriotismus kaum noch retten. Und auch die Politiker und alle Art von "Spezialisten" attestieren Deutschland eine strahlende Zukunft durch neuen frisch entfachten Natinalstolz!
Doch was heißt Nationalstolz eigentlich? In seiner jetzigen Form existiert der Nationalstolz in Deutschland erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts: "Entstanden" ist er durch die Bestrebungen der Bevölkerung der damals zerklüfteten deutschen Kleinstaaten einen Nationalstaat nach dem Modell Frankreichs zu gründen. Erste Entladungen militanter Art fand dieser in der bürgerlichen "Revolution" 1845, die jedoch durch die Passivität des deutschen Volkes zusammenbrach. Nach der Gründung des deutschen Reiches 1871 wurde dieser Nationalstolz wiederum aufgegriffen: Diesmal allerdings von der Obrigkeit und nicht von bürgerlichen Revolutionären. Im Zuge des Imperialismus wurde versucht durch Nationalgefühl kombiniert mit bertriebenem Nationalbewusstsein ein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen Völkern zu schaffen: Diese erste negative Ausprägung des Patriotismus erhielt den Namen Chauvinismus. Später nutzen ihn die Nazis in Verbindung mit ihrer Rassenhygiene-Theorie für genau denselben Zweck. In beiden Fällen wurde durch übertriebenen Nationalstolz ein Effekt erzielt und dieser Effekt heißt "Kontrolle" der ungebildeten Menschen und "Manipulation" dieser zu einem bestimmten Zweck (in beiden Fällen war dieser Zweck die Vorbereitung zu einem Krieg oder zur Unterdrückung).
Man kann also festhalten: Nationalstolz nutzt eindeutig den Herrschenden, doch nützt es auch den Menschen ist nun die alles entscheidende Frage? Mitnichten.... durch diese Solidaritätsbekundung des "Stolzes" fügt man sich als Individuum in eine Masse von 80 Millionen Menschen ein , in deren Normen, deren Regeln, deren Verhalten und aber auch deren Verbrechen.
Man kann also weiterhin festhalten: Stolz zu sein auf eine Gruppe, heißt immer stolz zu sein auf positive, aber auch auf negative Aspekte dieser Gruppe und hat zudem noch den Effekt, dass eine Unterordnung unter diese Werte der 80 Millionen stattfindet, d.h. man in irgendeiner Weise diese Regeln adaptieren muss um "dazuzugehören": Eine teilweise Negation des eigenen Ichs also , unterbewusst, aber gewollt....?
Zuletzt noch eine letzte Anmerkung:Patriotismus und Nationalismus betonen den Wert der eigenen Nation , nicht aber den Wert eines Menschen, worin eben schon die Problematik entsteht:Es wird eine Zusammengehörigkeit geschaffen, die de facto nicht existiert. Denn was ist schon ein "Staat" ? Imo ein künstliches Konstrukt , dass sich über Jahrhunderte entwickelt hat und die Menschen (die alle den selben Ursprung haben!) voneinander trennt, ja sogar Vorurteile und Abneigung in den Köpfen der Nationalstolzen erzeugt....das zeigen schon die ausdrücke "Die Polen sind..." , "Die Türken sind..."....wieso heißt es nicht "Dieser Mensch ist..."?
Das gilt es zu überdenken, wenn man mit "Stolz" erhobenem Haupt durch die Straßen marschiert und das Deutschlandlied "gröhlt"; warte hatten wir das nicht schon einmal?
Dass Deutschland aufgrund seiner nicht gerade schönen jüngsten Vergangenheit in Hinsicht auf Patriotismus sprichwörtlich unter dem Damoklesschwert sitzt, dürfte hinlänglich bekannt sein , um so verwunderlicher sind solche Entwicklungen jetzt in der Gegenwart: Wo man vor 4 Wochen noch gegen Patriotismus gewettert hat, als wäre er eine Volkspest , kann man sich nun vor Patriotismus kaum noch retten. Und auch die Politiker und alle Art von "Spezialisten" attestieren Deutschland eine strahlende Zukunft durch neuen frisch entfachten Natinalstolz!
Doch was heißt Nationalstolz eigentlich? In seiner jetzigen Form existiert der Nationalstolz in Deutschland erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts: "Entstanden" ist er durch die Bestrebungen der Bevölkerung der damals zerklüfteten deutschen Kleinstaaten einen Nationalstaat nach dem Modell Frankreichs zu gründen. Erste Entladungen militanter Art fand dieser in der bürgerlichen "Revolution" 1845, die jedoch durch die Passivität des deutschen Volkes zusammenbrach. Nach der Gründung des deutschen Reiches 1871 wurde dieser Nationalstolz wiederum aufgegriffen: Diesmal allerdings von der Obrigkeit und nicht von bürgerlichen Revolutionären. Im Zuge des Imperialismus wurde versucht durch Nationalgefühl kombiniert mit bertriebenem Nationalbewusstsein ein Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen Völkern zu schaffen: Diese erste negative Ausprägung des Patriotismus erhielt den Namen Chauvinismus. Später nutzen ihn die Nazis in Verbindung mit ihrer Rassenhygiene-Theorie für genau denselben Zweck. In beiden Fällen wurde durch übertriebenen Nationalstolz ein Effekt erzielt und dieser Effekt heißt "Kontrolle" der ungebildeten Menschen und "Manipulation" dieser zu einem bestimmten Zweck (in beiden Fällen war dieser Zweck die Vorbereitung zu einem Krieg oder zur Unterdrückung).
Man kann also festhalten: Nationalstolz nutzt eindeutig den Herrschenden, doch nützt es auch den Menschen ist nun die alles entscheidende Frage? Mitnichten.... durch diese Solidaritätsbekundung des "Stolzes" fügt man sich als Individuum in eine Masse von 80 Millionen Menschen ein , in deren Normen, deren Regeln, deren Verhalten und aber auch deren Verbrechen.
Man kann also weiterhin festhalten: Stolz zu sein auf eine Gruppe, heißt immer stolz zu sein auf positive, aber auch auf negative Aspekte dieser Gruppe und hat zudem noch den Effekt, dass eine Unterordnung unter diese Werte der 80 Millionen stattfindet, d.h. man in irgendeiner Weise diese Regeln adaptieren muss um "dazuzugehören": Eine teilweise Negation des eigenen Ichs also , unterbewusst, aber gewollt....?
Zuletzt noch eine letzte Anmerkung:Patriotismus und Nationalismus betonen den Wert der eigenen Nation , nicht aber den Wert eines Menschen, worin eben schon die Problematik entsteht:Es wird eine Zusammengehörigkeit geschaffen, die de facto nicht existiert. Denn was ist schon ein "Staat" ? Imo ein künstliches Konstrukt , dass sich über Jahrhunderte entwickelt hat und die Menschen (die alle den selben Ursprung haben!) voneinander trennt, ja sogar Vorurteile und Abneigung in den Köpfen der Nationalstolzen erzeugt....das zeigen schon die ausdrücke "Die Polen sind..." , "Die Türken sind..."....wieso heißt es nicht "Dieser Mensch ist..."?
Das gilt es zu überdenken, wenn man mit "Stolz" erhobenem Haupt durch die Straßen marschiert und das Deutschlandlied "gröhlt"; warte hatten wir das nicht schon einmal?
... comment
mark793,
Donnerstag, 22. Juni 2006, 23:58
Ihre Gedanken dazu
würde ich in Teilen auch unterschreiben. Stolz kann ich eigentlich nur auf etwas sein, zu dem ich einen eigenen Beitrag geleistet habe. Das ist bei der biographischen Zufallskette, die mich zu einem deutschen Staatsbürger machte, nicht der Fall. Also alles kein Grund, stolz auf irgendwelches Deutschtum zu sein.
Aber so sehr mich die Auswüchse des derzeitigen Fußball-Patriotismus auch abstoßen mögen - man kann das Ganze auch zu Tode problematisieren. Sollen die Leute doch ihren Spaß haben mit den Fähnchen und Oleeoleeolee. Das Erwachen kommt spätestens, wenn die 19 Prozent MwSt. auf jedem Kassenzettel stehen...
Aber so sehr mich die Auswüchse des derzeitigen Fußball-Patriotismus auch abstoßen mögen - man kann das Ganze auch zu Tode problematisieren. Sollen die Leute doch ihren Spaß haben mit den Fähnchen und Oleeoleeolee. Das Erwachen kommt spätestens, wenn die 19 Prozent MwSt. auf jedem Kassenzettel stehen...
... link
schwarzerbloq,
Freitag, 23. Juni 2006, 20:25
Zu deinem ersten Teil: Nun ja ich denke, du leistest ja in gewisser Form schon etwas innerhalb dieser Gesellschaft in Form deiner Arbeit und durch Zahlung entsprechender Steuern....insofern förderst du zumindest die gegenwärtige deutsche Kultur.....was mich daran stört ist die Abgrenzung zum Rest der Welt, die dabei gleichzeitig erfolgt: Du bist stolz auf Deutschland und liebst dein Land , aber liebst du auch den Bauern der deinen allmorgendlichen Kaffee am Arsch der Welt herstellt?
Jetzt mögen einige sagen: "Das ist mir doch egal, solange es mir gutgeht!" Die Problematik bei diesem Satz ist, dass wir von anderen Ländern abhängig sind, dementsprechend sollte es uns eigentlich sehr wohl kümmern wie es den Menschen dort geht...und dadurch stellt sich die Frage: Ist es nicht in einer globalisierten Welt an der Zeit zu sagen: "Ich bin stolz darauf MENSCH zu sein!" ?
Zum zweiten Teil: Klar hast du Recht: Der momentane "Nationalstolz" ist nicht mit irgendwelchen anderen Auswüchsen wie in Amerika zu vergleichen. Nur bei mir gilt: Lieber vorher mahnen als nachher klagen, wenns zu spät ist.
Jetzt mögen einige sagen: "Das ist mir doch egal, solange es mir gutgeht!" Die Problematik bei diesem Satz ist, dass wir von anderen Ländern abhängig sind, dementsprechend sollte es uns eigentlich sehr wohl kümmern wie es den Menschen dort geht...und dadurch stellt sich die Frage: Ist es nicht in einer globalisierten Welt an der Zeit zu sagen: "Ich bin stolz darauf MENSCH zu sein!" ?
Zum zweiten Teil: Klar hast du Recht: Der momentane "Nationalstolz" ist nicht mit irgendwelchen anderen Auswüchsen wie in Amerika zu vergleichen. Nur bei mir gilt: Lieber vorher mahnen als nachher klagen, wenns zu spät ist.
... link
... comment
c17h19no3,
Sonntag, 25. Juni 2006, 14:11
feine psychologie. empfehle dazu elias canetti "masse und macht". das ist zwar eher belletristisch denn naturwissenschaftlich, beschreibt aber sehr schön, was uns in der masse ergreift.
... link
... comment
